Die Fachberaterin für Evangelische Religionslehre an den Gymnasien (Südbayern) StDin Susanne Styrsky hatte Lehrkräfte am 28. Januar 2020 zu einer Fortbildung für die Region Niederbayern an das Gymnasium Dingolfing eingeladen. Das Thema: „Taten und Worte – Diakonische Lernerfahrungen an außergewöhnlichen Orten.“ Das Netzwerk Diakonisches Lernen gewann als Referenten und Referentinnen Holger Peters (Vorstand Diakonie Landshut), Katy Hausen (Tafelkoordinatorin Diakonie Landshut) und die Ehrenamtlichen Karin Siebeneich und Konrad Schussmann (Tafelausgabe röm-kath. Pfarrei St. Peter und Paul, Landshut).
Was kann als Resümee des Tages gelten? Da ist zunächst die spürbare Offenheit der Tafelehrenamtlichen, dass sich Schüler und Schülerinnen mit ihren Lehrkräften bei ihnen engagieren können und sollen. Es gibt etwas zu tun und dies kommt dem Tatendrang vieler Jugendlicher sicher entgegen. Da ist aber auch die ins Auge springende Not der Tafelnutzer. Die Realität von zirka 1000 deutschen Tafeln und 2000 Tafelläden in einem reichen Land darf schulisch nicht nur anhand von Arbeitsblättern und Schulbüchern „behandelt“ werden, sondern Orte der Armut müssen aufgesucht werden. Es gilt die Menschen, die Tafeln brauchen, wahrzunehmen und Nächstenliebe einzuüben. Aber auch das ist Teil des Resümees: Ein computerlesbarer Tafelausweis (anonymisiert) geht irgendwann durch die Hände der anwesenden Lehrkräfte. Darauf ist gespeichert, für wie viele Menschen aus seinem familiären Umfeld dieser konkrete Nutzer Lebensmittel- und Hygieneprodukte bei der Landshuter Tafel abholen darf. Die Plastikkarte macht deutlich, welch logistischer Aufwand mit der Weitergabe von etwa 40 Tonnen Lebensmitteln für 1.500 Versorgte alleine bei der Landshuter Tafel verbunden ist, damit es „gerecht“ zugeht. Doch die Plastikkarte hinterlässt auch ein schales Gefühl. Man fragt sich: Was brauchen die einzelnen Menschen sonst noch? Was brauchen sie über die Lebensmittel hinaus? Und: Inwiefern verändert die Tatsache, dass ein großer Teil der Tafelausgaben bei Diakonie, Caritas und Kirchengemeinden ihren Ort haben den Alltag und das Miteinander in der Kirche?
Im Workshop, der sich den Erzählungen der Ehrenamtlichen und Tafelverantwortlichen anschloss, planten die Lehrkräfte, wie sich ein diakonischer Aktionstag mit Schülern bei der Tafel umsetzen lässt und wie er sinnvoll in vorauslaufende und reflektierende Phasen des Unterrichts eingebunden sein könnte. Eine Idee war zum Beispiel, die Begegnungen in der Tafel mit dem Lehrplanthema „Prophetisches Reden und Handeln“ der 8. Jahrgangsstufe des Evangelischen Religionsunterrichts zu verbinden. „Gerechtigkeit“ ist in diesem Fall die Brücke, prophetische Anliegen des Alten Testaments mit der sozialen Realität von heute zu konfrontieren. Eine exemplarische Umsetzung, so ein Ergebnis des Workshops, könnte die Mitwirkung von Schülern bei einer Feier von Tafelnutzern (Kunden) und Ehrenamtlichen sein. So kann aus der „Diakonie der Theke“ (Tafelausgabe) für einen Moment eine „Diakonie des Tisches“ werden.
Eine zweite Gruppe von Lehrkräften arbeitete in ihrem Workshop an Projekten, Menschen unterschiedlichen Alters oder Schüler aus dem Gymnasium mit Schülern der Mittelschule an einen Essenstisch zu bringen. Ist gemeinsames Kochen von Schülern unterschiedlicher Schularten aber schon Diakonie? Oder ist es diakonischer, wenn die Gymnasiasten mit Geflüchteten kochen oder mit Menschen aus anderen Religionen? Man war sich hier uneinig. Auch wenn diese Gruppe kein Endergebnis präsentieren konnte, so hat doch die alles entscheidende Selbstreflexion stattgefunden: Will ich, kann ich, soll ich oder muss ich aus theologischen und pädagogischen Gründen mit meinen Schülern dann und wann den Raum des vertrauten Klassenzimmers verlassen, um anderen zu begegnen und anders zu lernen?
Alle Informationen zu den Tafeln der Diakonie Landshut in der Region: Tafel Landshut, Tafel Vilsbiburg und Tafel Rottenburg.
01/02/20 Dr. Martin Dorner