Ein Hut, ein Stock, ein Damenunterrock: Schüler der Nürnberger Mittelschule Insel Schütt und Bewohnerinnen des Rummelsberger Stifts St. Lorenz glänzen mit einem gemeinsamen Theaterprojekt

Anastasia, Jamal, Katharina, Lara, Leyla, Mert, Raad, Ronja, Selina, Stefano und Sydney (Schüler Mittelschule Insel Schütt), Religionspädagogin Jenny Graumann, Hanna Klaußner und Claudia Liebl (Rummelsberger Stift St. Lorenz) bei der Aufführung von "Ein Hut, ein Stock, ein Damenunterrock" in der Mittelschule Insel Schütt in Nürnberg (Foto: Hans Müller)

Zum ersten Mal in der Geschichte der Initiative Diakonisches Lernen haben Schülerinnen und Schüler einer Mitteschule und Bewohnerinnen eines Seniorenstifts gemeinsam die Bretter erobert, die die Welt bedeuten. Doch der Reihe nach: Bei einer Ausschreibung für neue Kooperationen zwischen diakonischen Lernorten und Schulen hat das Rummelsberger Stift St. Lorenz in Nürnberg einen Preis, der mit 1000 € dotiert war, gewonnen. Diakon Hans Müller und die Fachkräfte Hanna Klaußner und Claudia Liebel überzeugten die Jury u.a. mit ihrer Projektidee, ein Theaterstück auf die Bühne zu bringen, bei dem Jugendliche und Senioren gemeinsam agieren. Zum 10 jährigen Bestehen der diakonischen Einrichtung hatte nun „Ein Hut, ein Stock, ein Damenunterrock“ im Oktober Premiere.

 

Um die unterschiedlichen Lebensräume der Schüler und der Senioren auch in der Realität zusammenzubringen, wurde das von den Schülern recherchierte Theaterstück gleich an zwei Orten uraufgeführt: Im Seniorenstift und in der Schule. Als Zuschauer kamen Bewohner, Pflege- und Fachkräfte, Verwandte, Lehrkräfte und viele Schüler. Was den Schülerinnen und Schülern kurz vor der Öffnung des Vorhangs wohl durch den Kopf ging, als die drei Seniorinnen Elfriede Roth, Ursula Sichermann und Helene Wanke in einem Sessel auf der Bühne Position bezogen? Vielleicht dachten sie wie die jugendlichen Schauspieler Jamal und Stefano, die, als coole Jungs, beim ersten Blick auf die alten Damen äußerten: „Boah ey, wie langweilig ist das denn? Den ganzen Tag nur im Sessel sitzen! Haben die denn überhaupt schon mal was Spannendes erlebt?“ So als hätten Roth, Sichermann und Wanke, die Schauspielerinnen aus der Senioreneinrichtung, nur auf dieses Stichwort gewartet, gaben sie Anekdote um Anekdote preis. Sie erzählten von Streichen und Grenzüberschreitungen aus ihrer Kindheit und Jugend, die dann von den jugendlichen Schauspielern mit großer Spielfreude in Szene gesetzt wurden. So zum Beispiel: Das heimliche Rauchen als Jugendliche, wobei auch das jüngste Geschwisterkind einmal an der Zigarette ziehen durfte (und natürlich bewusstlos wurde). Der Besuch des Schulrats und die Hoffnung des Lehrers, dass die Schüler endlich einmal ein gutes Benehmen an den Tag legen (und diese natürlich dem Lehrer vorher einen Zettel auf den Rücken hefteten. Seine Botschaft: „Ich-bin-dumm!“). Die Seniorinnen erzählten von Streichen im Internat, aber auch von existentiellen und erschütternden Erfahrungen, wie der Flucht und der Schwangerschaft, deren wahre Umstände vor dem eigenen Vater verheimlicht werden mussten. Aber auch Geschichten vom Glück, sich nach dem Krieg als Paar in der Trümmerwelt wiederzufinden, berührten die Zuschauer.

Die Regie des Theaterstücks führte die Religionslehrerin Jenny Graumann. Mit ihrem Kunstgriff, die einzelnen Szenen mit altbekannten Abzählreimen zu eröffnen und damit das ganze Stück wie aus einem Guss wirken zu lassen, ist ihr etwas ganz Besonderes gelungen. Doch was heißt altbekannte Abzählreime? Möglicherweise haben Anastasia, Katharina, Lara, Leyla, Mert, Raad, Ronja, Selina und Sydney, die jugendlichen Schauspieler aus der Mittelschule Insel Schütt, noch nie zuvor von der „kleinen Dickmadam“ und ihrer Fahrt mit der „krachenden Eisenbahn“ gehört. Alle Abzählreime von „Angsthase, Pfeffernase“, „Hoppe, hoppe Reiter“, „1,2,3,4,5,6,7 in der Schule wird geschrieben“, „Ich und du, Müllers Kuh“ und „Ringlein, Ringlein du musst wandern“ wurden frisch und mit voller Überzeugung von Jamal und Stefano verkörpert. Und dass alle Schülerinnen und Schüler einmal gemeinsam „ein Hut, ein Stock, ein Damenunterrock“ mit „vorwärts, rückwärts, seitwärts, ran, Hacke, Spitze, hoch das Bein!“ tanzen würden, hätten sie sich vor ein paar Wochen wohl auch nicht träumen lassen. Vorhang und ganz großer Applaus!

Martin Dorner, 30.11.2016    

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